Mitternachtstorte: Sille 5
Sille lag auf der feuchten Erde und spürte, wie ihre schlechte Laune in den Boden sickerte.
Klar, die Brennnesselstiche, geschenkt; aber da war noch mehr. Stress mit den Vermietern, wegen ihrer ollen Bude, die immer mehr begann um sie zu zerfallen und trotzdem immer teurer wurde. Muddern Periode, die sich zuletzt gedacht hatte es wäre ne gute Idee, ihr mal mit Anlauf nen Stöckelschuh in die Gebärmutter zu rammen; was sie natürlich nicht davon abhalten durfte zur Arbeit zu gehen, nein nein. Verfickte Arbeit, Kassieren an der Tanke, wo fette, alte und eierschaukelnde, junge Männer ihre hässlichen Scheißkarren voll laufen ließen und immer noch dachten es sei höflich oder nötig oder geil eine fremde Frau dauernd auf ihr Aussehen anzusprechen.
Und über alledem die Zeit; die immer schwindende Zeit. Sille hatte das Gefühl, dass die Jahre immer schneller vergingen und sich gleichzeitig mit immer weniger ausfüllten.
Warum war ihr Leben so geworden? Es war doch mal alles so grundlegend anders. Sie war auf dem Wegwespenweg gelaufen, verdammt! Sie hatte ihre nackten Füße in den Sand von Engangabannun versenkt! Warum hatte gerade so jemand wie sie sich in eine so unerträgliche Falle von Alltäglichkeit verheddert? Wo war er hin dieser Hunger nach Sommerabenden, Diebstahl, Abhauen und hässlichen Zauberern bei Nacht?
Und da, genau da, war das richtige Gefühl. Zu weit Richtung Zorn und sie wär zu den zwölf Kali gekommen. Zu weit Richtung Trauer und sie wär dem Kakteenfütterer entgegen getreten.
Doch sie wandelte den feinen, fiebrigen Pfad perfekter, Schlechter Laune, wie sie dort in den Brennnesseln lag.
Und so kam er abermals zu ihr; kroch in seinem gedrungenen Schlangenleib durch das Dickicht, das leise zu säuseln begann.
Seine schwarzen und matt-orangenen Schuppen erschienen in Silles peripherer Sicht, als er hinter ihr im Dreck wühlte.
Sie hob ihren Kopf leicht an, damit er seinen Körper darunter schieben konnte, wie ein lebendiges Kissen.
Dann legte er den massigen Schlangenschädel auf ihre Schulter. Wie seine Schwanzspitze war er kräftig und abgerundet, sodass man nicht sagen konnte wo vorne und hinten ist, wenn er die Augen schloss.
Seine gespaltene Zunge durchfuhr die Luft und mit einem seiner gelben Augen starrte er direkt in ihre.
Sunef Ez, Patron der Miesepeter, Gott der Brennnesseln, Personifiez der Schlechten Laune.